Mail an Frau Özoğuz vom 13.08.2014 zu Kinderbetreuung in Integrationskursen

 

13.08.2014

an die
Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration,
Frau Staatsministerin Aydan Özoğuz

Kopie an
SPD Frankfurt: jetta.luedecke@spd-fraktion.frankfurt.de
CSU München: marian@offman.org
630 Lehrkräfte in Integrationskursen
weitere Interessierte

Sehr geehrte Frau Özoğuz,

am 18.07.2014 erschien erschien auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung ein Interview mit Ihnen, in dem es auch um die Integrationskurse ging. Wir sind die Lehrkräfte, die in den Integrationskursen jeden Tag Integration betreiben und wir haben Sie als `Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration´ schon einmal wegen der Integrationskurse angeschrieben, und zwar am 08.01.2014. Wir warten jetzt seit sieben Monaten auf eine Antwort von Ihnen. Immerhin haben Sie in Ihrem Schreiben an die Kursträger von vorgestern (siehe Link unten) die Lehrkräfte erwähnt. Es freut uns, dass Sie uns auch als Akteur der Integrationspolitik wahrnehmen.

Sie sagen in dem Interview: “Für mich geht es hier um eine umfassende Teilhabe an unserer Gesellschaft. Teilhabe für jede und jeden. Bei der es überhaupt keine Rolle spielt, woher man selbst, seine Eltern oder Großeltern einmal gekommen sind. Wo es egal ist, ob ich Schmidt oder Özoğuz heiße, helle oder dunkle Haut habe oder sonst wie verschieden bin.”

Das hört sich toll an, wenn man über Ausländer spricht, aber was ist denn mit den Lehrkräften, die den MigrantInnen die Sprache beibringen sollen? Warum dürfen wir nicht an der Gesellschaft teilhaben? Warum zahlt das Innenministerium nicht einmal so viel, dass sich die Lehrkräfte eine Rentenversicherung leisten können? Sind Ausländer in Deutschland so wenig Wert, dass man ihren LehrerInnen nicht mal eine Rentenversicherung, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder bezahlten Urlaub zugesteht? Wer in Deutschland dunkelhäutige Menschen in Integrationskursen unterrichtet, der verdient ca. 70% weniger als jemand, der an einer Schule deutsche Kinder unterrichtet. Würden Sie der These zustimmen, dass hier ein struktureller Rassismus vorliegt oder sehen Sie irgendwelche anderen Gründe, warum das so ist?

Sie sagen weiter: “Natürlich existiert ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen der Integrationsbeauftragten und dem Justizministerium einerseits sowie dem mit Fragen der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung befassten Innenministerium andererseits.”

Viele Lehrkräfte finden es auch seltsam, dass die Integrationskurse neben der Terrorismusbekämpfung und der Spionageabwehr beim Innenministerium angesiedelt sind. Wir fragen uns, ob die Sprachkurse nicht besser von Polizisten durchgeführt werden können, denn offensichtlich hält man bei der Bundesregierung Ausländer für eine besonders kriminalitätsaffine Gruppe. Uns ist schon öfters aufgefallen, dass das BAMF eigentlich keine Bildungseinrichtung ist, und dass das BAMF nicht über Bildungs-Kompetenzen verfügt. Sie müssen sich nur die Zusammensetzung der „Bewertungskommission“ angucken um festzustellen, dass das BAMF seinen Schwerpunkt nicht im Bildungsbereich hat. Wo finden sich in der Bewertungskommission ExpertInnen aus den Bereichen DaF/ DaZ? Lehrkräfte sind dort mit ihrer praktischen Erfahrung schon gar nicht geduldet.

Von der Möglichkeit, dass die meisten Arbeitsverträge in den Integrationskursen gegen geltendes Recht verstoßen könnten (§ 7 SGB IV), weil die Träger keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen, wollen wir gar nicht erst reden. Einige Abgeordnete der SPD hatten dieses Thema vor zwei Jahren auf dem Plan, aber da die SPD nun selbst in der Regierung ist, ist von diesem Themenbereich nichts mehr zu hören.

Weiterhin schreiben Sie: “Es muss selbstverständlich werden, dass es etwa am Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche keine Rolle mehr spielt, ob ich Schmidt oder Özoğuz heiße. Ich will darauf hinwirken, dass Menschen danach bewertet werden, was sie tun, was sie können.”

Der Unterschied liegt nicht in der Frage, ob jemand Schmidt oder Özoğuz heißt, sondern darin, ob er / sie Geld hat oder nicht. Zwar sind MigrantInnen in den unterprivilegierten Schichten öfters vertreten als Deutsche, weil sie häufiger arbeitslos sind und häufiger die niedrigeren Schulformen besuchen. Aber wenn Sie sich den Niedriglohnsektor angucken, dann stellen Sie fest, dass dort die Frauen überproportional vertreten sind, ganz egal, welche Nationalität sie haben. Als Integrationsbeauftragte fällt es, wie Sie ganz richtig schreiben, in Ihr Aufgabengebiet, sich für die Teilhabe für jede und jeden“ einzusetzen, unabhängig davon, ob man nun Menschen mit dunkler Hautfarbe im Integrationskurs oder deutsche Kinder auf dem Gymnasium unterrichtet.

Abschließend würden wir gerne Ihre Meinung über die Kinderbetreuung bei den Integrationskursen hören, die ab Ende September nicht mehr finanziert werden soll. Was halten Sie von der Meinung des BAMF, “dass in vielen Kommunen der Bedarf an Betreuungsplätzen nahezu oder in großem Umfang gedeckt ist”? Wird der Wegfall der Kinderbetreuung “bisweilen auch einen positiven Druck bewirken, Kinder mit Migrationshintergrund in staatliche Einrichtungen mit professioneller Betreuung zu geben”, wie das BAMF schreibt? Oder wird der Wegfall der Kinderbetreuung dazu führen, dass das BAMF Geld spart, weil weniger Mütter an den Integrationskursen teilnehmen werden?
 

In der Frankfurter Neue Presse vom 19.07.2014 war zu lesen:

Die integrationskursbegleitende Kinderbetreuung muss erhalten werden“. Das forderte jetzt die SPD-Fraktion im Römer in einem offenen Brief an Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Wenn, wie den Trägern angekündigt, die Kinderbetreuung zum 30. September eingestellt werde, sei das ein herber Rückschlag für die Integrationspolitik in vielen deutschen 30 Großstädten.“

Die integrationspolitische Sprecherin der SPD Frankfurt schreibt in dem offenen Brief:
Diese Frauen werden und können ihre Kinder nicht weggeben und stattdessen einfach nicht mehr an den Kursen teilnehmen.“

Die SPD Frankfurt sieht die Sache richtig. In München hat der Stadtrat Marian Offman von der CSU am 31.07.2014 beantragt, dass der Oberbürgermeister sich beim BAMF für eine Verlängerung der Finanzierung der Kinderbetreuung einsetzen solle. Wie man sieht gibt es auch in der CSU Politiker, die sich für die Integration stark machen.

Von den SPD-Bundestagsabgeordneten im Innenausschuss haben wir bei unserer Internetrecherche leider keine aktuellen Aussagen zu der Kinderbetreuung gefunden. Welche Meinung vertritt denn die SPD auf Bundesebene?

Mit freundlichen Grüßen

Georg Niedermüller
Marion Bergmann
Stephan Pabel


Anlage: Antwort von Frau Özoğuz an die Kursträger vom 11.08.2014:
https://bmoc85.files.wordpress.com/2014/08/140811-antwort-vergc3bctungssicherheit-beauftrage-migration-1.pdf

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Antwort von Frau Özoğuz an die Kursträger

Hier die Antwort der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration,

Frau Özoğuz an die Kursträger:

140811 Antwort Vergütungssicherheit Beauftrage Migration-1

 

 

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Betriebliche Vertretung von Lehrbeauftragten

bericht neue selbstständigkeit und mitbestimmung

Abschlussbericht
BETRIEBSNAHE SELBSTSTÄNDIGKEIT ALS GEGENSTAND BETRIEBLICHER MITBESTIMMUNG
Grenzen und Möglichkeiten der Interessenvertretung von abhängigen Solo-Selbstständigen im Bildungssektor

 

Forschungsprojekt im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung
Projektnummer: 2012-556-2
Dr. Sabine Jambon, Berlin
sabine.jambon@gmx.de

 

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Die Bewertungskommission

 

Die Bewertungskommission

Um die vermeintlich „hohe Qualität der Integrationskurse“ zu sichern, werden nach Aussage des BAMF die Lehrpläne und der Abschlusstest ständig bewertet und weiterentwickelt. Zuständig dafür ist die sogenannte „Bewertungskommission“.

Wirft man einen Blick auf die Teilnehmerliste dieser Kommission, so fällt auf, dass hier hauptsächlich Experten des Bundesinnenministeriums und des BAMF vertreten sind, sowie einige Vertreter der Bildungsindustrie. „Experten der Praxis“ findet man gar nicht, und auch „Wissenschaftler“ sind fast gar nicht vertreten. Die Lehrkräfte haben sich jahrelang darum bemüht, in dieses Geheimgremium Einlass zu finden, in der 21. Sitzung am 10. Juni 2013 ist es dann gelungen, dass zwei Lehrkräfte auf die prekäre Situation aufmerksam machen durften. Die Bewertungskommission hat dann auch gleich im Protokoll festgehalten, dass es „zwischen dem Bundesamt und den Integrationskurslehrkräften keinerlei vertragliche Vereinbarung sowie keinerlei Rechtsbeziehung besteht.“ Richtig, der Staat hat die Ausbeutung der Lehrkräfte an die Träger outgesourced und muss sich nicht selbst mit dem Vorwurf der Scheinselbstständigkeit auseinandersetzen, denn er delegiert schließlich nur Arbeitsbedingungen an die Träger, die die Rahmenbedingungen gegenüber den Lehrkräften durchsetzen, indem sie ihnen z.B. das Urlaubsentgelt vorenthalten.

Während man mit der Bezahlung rechtlich nichts zu tun haben will darf das BAMF jedoch die im Grundgesetz garantierte Berufsausübungsfreiheit einschränken und die Lehrkräfte zu (teils sinnlosen) Zusatzqualifizierungen dienstverpflichten: „Im Hinblick auf die Beschränkung der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Absatz 1 Grundgesetz durch die Anforderungen an die Lehrkräfte und Prüfer sind diese nun gesetzlich normiert. Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist gerechtfertigt durch die besondere Wichtigkeit der gesellschaftspolitischen Aufgabe der Integration, die nur von entsprechend qualifizierten Lehrkräften und Prüfern geleistet werden kann.“ (S. 16) Tatsächlich haben die Zusatzqualifizierungen nichts mit der Qualität der Aufgabe zu tun, sie dienen nur dazu, der Weiterbildungsindustrie Aufträge zu bescheren. An der Qualität der Kurse hat das BAMF überhaupt kein Interesse.

In der 20. Sitzung vom November 2012 wurde erklärt, wie das BAMF auf die Kostenerstattung von 2,94 € pro Teilnehmer pro Stunde kommt: das BAMF nimmt irgendwelche Preisentwicklungen, verrechnet sie mit irgendwelchen Zahlen des statistischen Bundesamtes, damit es sich seriös anhört, und kommt dann auf die Zahl von 2,94 €. Multipliziert man diese Zahl mit der Quersumme der letzten Lottozahlen, dann kommt für die Lehrkraft ein Stundenhonorar von 20 € heraus. Weiter gehen die Berechnungen dieser sogenannten „Expertenkommission“ nicht, denn dann würde es peinlich. Dass man als studierte Lehrkraft bei einem Vollzeitjob im staatlichen Auftrag noch mit Hartz IV aufstocken muss ist eine Schande für diese Kommission. Vielleicht hält man es deshalb für zumutbar, weil in den Integrationskursen zu 85% Frauen arbeiten, und die Minderbezahlung von Frauen in Deutschland eine alte Tradition ist. Die Hans-Böckler-Stiftung schreibt: “Frauen mit einem Master-Abschluss einer Universität verdienen durchschnittlich 3.827 Euro. Mit dem gleichen Abschluss bekommen Männer 4.530 Euro, also 703 Euro mehr.” Man könnte hinzufügen: Frauen mit einem Master-Abschluss, die Ausländer in der deutschen Sprache unterrichten, verdienen nur 1000 Euro. Damit will die Bundesregierung offenbar verhindern, dass Anreize geschaffen werden, um MigrantInnen die Integration zu ermöglichen. Im Grunde ist so eine Bezahlung Bestandteil einer ausländerfeindlichen Politik. Wer will schon für 1000 Euro im Monat arbeiten?

In der 22. Sitzung vom Oktober 2013 ging es um das Thema der Scheinselbstständigkeit: „Frau Cichos berichtet von der Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung des LArbG München am 26.09.2013, die das Thema der Scheinselbstständigkeit von Lehrkräften streifte. Da das Verfahren sich durch Vergleich erledigte, ließ sich daraus nur folgern, dass es maßgeblich auf die organisatorische Struktur zwischen Kursträger und Lehrkraft ankomme.“ (Das Arbeitsgericht München hatte im Fall einer Integrationslehrerin beim Internationalen Bund Scheinselbstständigkeit festgestellt.) Die organisatorische Struktur zwischen Träger und Lehrkraft sieht genau so aus, wie die Struktur zwischen einer Schule und den LehrerInnen, die dort unterrichten: die Lehrkraft muss zu festgelegten Zeiten an festen Orten ein fest vorgegebenes Curriculum unterrichten und muss die vom BAMF vorgegebenen Listen ausfüllen. Es werden bestimmte Lehrbücher verwendet und bestimmte Qualifikationen vorausgesetzt, die vom Staat vorgegeben werden. Einen nennenswerten Unterschied zwischen der Arbeit an Schulen und in Integrationskursen gibt es nicht. Illegale Scheinselbstständigkeit samt ihrer zerstörerischen Auswirkungen auf die Lehrkräfte, die Träger und das Sozialversicherungssystem sind also bei Integrationskursen die Regel. Die Bewertungskommission sagt dazu nichts.

Sehr spannend ist auch die Frage, ob das BAMF in der Vergangenheit kontrolliert hat, dass Fahrgelder von den Trägern an die KursteilnehmerInnen weitergeleitet wurden. Das BAMF überweist dieses Geld an die Träger und hofft, dass die Träger das Geld weiterleiten. Nach unserem Wissen wurden Fahrgelder zum Teil erst 6 Monate nach Beendigung des Kurses an die TeilnehmerInnen überwiesen, natürlich ohne genaue Abrechnung über die Höhe der Fahrtkosten.

Wahrscheinlich versickert ein Teil der Steuergelder, die für Fahrtkosten vorgesehen sind bei den Trägern. Das BAMF will zwar genau wissen, ob ein Kursteilnehmer ein paar Minuten zu spät zum Unterricht erscheint (das ist wie in der Schule), aber ob die TeilnehmerInnen ihr Fahrgeld bekommen oder vom Träger betrogen werden ist dem BAMF herzlich egal.

 

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Integrationslotsen und Berufsberatung

“Nicht alle Teilnehmer verfügten bei Kursbeginn über Vorkenntnisse. Viele fingen bei null an und verwendeten jede Menge Ehrgeiz darauf, so viel wie möglich zu lernen, um den Integrationslehrgang erfolgreich abzuschließen. Aufgeteilt in verschiedene Module, kostete die Maßnahme 792 Euro pro Teilnehmer, wobei einige Mitmacher von den Kosten befreit waren.

Begleitend dazu wurde jeden Montag im Ottersberger Rektorhaus eine Beratung angeboten, um Ressourcen und Potenziale von Migranten und Migrantinnen im ländlichen Raum zu stärken und zu fördern. Dieses Gruppenangebot, das seit Mai 2012 regelmäßig stattfindet, richtet sich an Interessierte im Alter von 17 bis 50 Jahren und bietet Orientierung im Sozial- und Gesundheitsbereich und beim Übergang in den Beruf im Flecken Ottersberg an. Mit Hilfe von Biografiearbeit, Bewerbungstraining, Betriebsbesichtigungen bietet es Impulse zur Berufsfindung und Raum für Austausch, Information und tätige Hilfe.

Ergänzend stellte Tomma Ahlers das Projekt der Integrationslotsen vor, deren Ausbildung derzeit in der Wümmeschule stattfindet. Die ehrenamtlichen Lotsen, deren 48-stündige Ausbildung vom Niedersächsischen Sozialministerium gefördert wird, kommen aus dem Flecken Ottersberg und wollen sich künftig um die Eingliederung von Migranten kümmern. Sie werden helfen, diverse Anknüpfungspunkte der nächsten Integrationskurse aufzunehmen.”

http://www.kreiszeitung.de/lokales/verden/ottersberg-ort29239/integrationskurs-schliesst-erfolgreich-sprachkenntnisse-zukunftsbasis-3685404.html

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Qualitätsmanagement und prekäre Beschäftigung in den Integrationskursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

Günter Riecke
Qualitätsmanagement und prekäre Beschäftigung in den Integrationskursen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge

© 2013 Günter Riecke – riecke@posteo.at

“1. Einleitung
Eine „Erfolgsgeschichte“ – so bezeichnen die Verantwortlichen und Mitglieder der Bundesregierung regelmäßig das Programm der Integrationskurse für Zuwanderer in Deutschland. Unter einem anderen Blickwinkel sehen das Programm die Lehrkräfte in diesen Deutschsprachkursen: Von „Hungerlöhnen“ ist die Rede (DaZ-Netzwerk NRW: 1). Diese Unstimmigkeit will die vorliegende Arbeit untersuchen.
Denn: Wie wäre eine beklagenswerte Bezahlung der Lehrkräfte mit einer erfolgreichen sprachlichen Bildung in den Deutschkursen für Migranten in Deutschland vereinbar? Entweder ist die Bezahlung weniger beklagenswert als dargestellt oder die Erfolgsgeschichte ist lediglich eine Behauptung ohne sicheres Fundament. Denn unwahrscheinlich ist, dass Lehrkräfte in Sprachkursen mit einem Netto-Stundenlohn von 3.50 Euro aufwärts (GEW 2012: 9) eine Erfolgsgeschichte hervorbringen, die diese Bezeichnung verdient.
Gefragt werden soll also: Ist die Vergütung und die Beschäftigung der Lehrkräfte so nachteilig, wie es ihre Vertreterinnen darstellen? Und sind die Integrationskurse erfolgreich und an welchem Kriterium misst sich dieser Erfolg? Ist es möglich, mit Monatsgehältern an der Armutsgrenze eine gute Bildungsarbeit zu leisten? Und was bedeutet „gut“ und „erfolgreich“ in diesem Zusammenhang?
Diesen beiden Fragen will diese Arbeit in Ansätzen beantworten. Dazu betrachtet die Arbeit das System der „Integrationskurse“ und versucht zunächst die Frage zu klären, inwieweit die Beschäftigungssituation der Lehrkräfte unzureichend genannt werden kann.
In Bezug auf den Erfolg der Kurse wird das Qualitätsmanagement des verantwortlichen Bundesamts für Migration dargestellt und sein Verhältnis zu der Forderung nach einer besseren Vergütung für die Lehrkräfte.
Zum Schluss werden als Teil des Qualitätsmanagements des Bundesamts drei Gutachten zum System der Integrationskurse ausführlich besprochen, um zu klären, wie erfolgreich die Integrationskurse und wie schwierig die Situation der Lehrkräfte sich in diesen Gutachten darstellen. So kann die Frage geklärt werden, ob mit einer von vielen Lehrkräften als unzureichend charakterisierten Vergütung ein erfolgreiches Programm sprachlicher Integration erwartet werden kann.

Mit dem Begriff „Integrationskurs“ ist in dieser Arbeit der Deutschkurs in dem System der Integrationskurse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gemeint. Der sich an diese Sprachkurse anschließenden Orientierungskurs behandelt landeskundliche Fragen; dieser Orientierungskurs ist nicht Gegenstand dieser Arbeit1. Ebenfalls ausgeschlossen sind die sogenannten Berufs-Integrationskurse, die aus den Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert werden.
Mit „Qualitätsmanagement“ werden hier alle Maßnahmen gefasst, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zur Sicherung der Qualität in den Integrationskursen durchführt – also ein staatliches Regime von Kontrolle, Begutachtung, Evaluation und Konzeption durch das BAMF. Das hat seinen Grund darin, dass das Bundesamt einem unabhängigen System von Qualitätsmanagement wenig Bedeutung zumisst und sein eigenes Qualitätsmanagement in den Vordergrund stellt.”

S. 36:

“6.3 Eine alternative Deutung
Aus dem Ergebnis dieser Korrelationsanalyse wäre allerdings auch eine andere Schlussfolgerung zu ziehen: Das System der Integrationskurse böte in dieser Erklärung derart ungünstige Lehrbedingungen, dass auch ein professionelles und gut motiviertes Unterrichten nur wenig ausrichtet. Eine höhere Vergütung und die damit induzierte Anstrengung der Lehrkraft würden gleichermaßen vom Integrationskurs fast folgenlos absorbiert. Wenn also statistisch gesehen die Einflussvariable „Vergütung“ einen kaum messbaren Effekt auf den Kurserfolg hat, kann dies auch bedeuten, dass die Architektur der Integrationskurse kaum Platz für
einen nennenswerten Einfluss der Lehrkraft auf den Kurserfolg lässt. In den Integrationskursen würde die Höhe der Lehrkraftvergütung als Motivationsfaktor keine Rolle spielen, weil andere Einflussfaktoren Effekte einer höheren Vergütung
der Lehrkraft neutralisieren. Diese Einflussfaktoren wären: … unter anderem die Kursgröße, die Heterogenität der Teilnehmerschaft in
Bezug auf Lernstand und Lernkompetenz und die Heterogenität der Teilnehmenden in Bezug auf ihren kulturellen Hintergrund … (BAMF 2009: 6).
So könnte das System der Integrationskurse keinen Einfluss für die Anstrengung des Lehrpersonals auf den Kurserfolg lassen, da die anderen Einflussfaktoren diesen Anteil neutralisieren, der über eine Vergütung in einem anderen System von Integrationskursen durchaus zu steigern wäre. Ist der Kurs beispielsweise zu heterogen, kann auch eine gute Lehrerin im Setting der Integrationskurse wenig ausrichten. Ihr Unterricht hätte zwar noch Wirkung, wäre aber in Bezug auf den Kurserfolg zu vernachlässigen. Nachweisbar wäre der Zusammenhang von Vergütung und Kurserfolg in diesem Fall deshalb nicht, weil das vom BAMF installierte System diesen Zusammenhang konzeptionell ausschließt: Eine erhöhte Vergütung der Lehrkräfte würde zwar die Motivation der Lehrkräfte steigern, dies hätte Auswirkungen auf die Kursqualität, nicht aber auf den Lernerfolg, Diese alternative Erklärung würde auch die niedrigen Vergütungen erklären: Warum sollten die Lehrkräfte besser bezahlt werden, wenn eine höhere Vergütung eine bessere Lehrtätigkeit und damit bessere Kursqualität nach sich ziehen würde, die Kurserfolgsquote von einer höheren Qualität dadurch nicht beeinflusst würde? Von all den Faktoren, die für den Kurserfolg wesentlich sind, wären die durch eine höhere Vergütung der Lehrkräfte zu beeinflussenden Faktoren nur wenig ausschlaggebend und gegenüber den anderen Faktoren gleichsam zu vernachlässigen.”

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An den Haushalts- und Innenausschuss des Bundestages

Sehr geehrte Damen und Herren des Haushaltsausschusses und des Innenausschusses,

wir sind eine Gruppe von Lehrkräften in Integrationskursen, die sich seit geraumer Zeit mit der Qualität und der Finanzierung der Integrationskurse beschäftigt. Wir möchten uns ganz herzlich dafür bedanken, dass Sie sich dazu bereit erklären, weitere 40 Mio. € in die Integrationskurse zu investieren.

Leider reichen die Mittel, die der deutsche Staat zur Verfügung stellt nicht aus, um die Lehrkräfte ausreichend zu bezahlen und um gute Kurse zu ermöglichen. Wir haben deshalb angefangen, mit Hilfe einer Spendenkampagne Drittmittel einzuwerben. Eine freundliche Firma hat bereits signalisiert, dass sie gerne bereit wäre, dem Bundesinnenministerium finanziell unter die Arme zu greifen. Die Firma benötigt aber eine Spendenkonto-Nummer. Wir möchten Sie deshalb bitten, eine Bankverbindung einzurichten, auf die die Spendengelder für die Integrationskurse künftig überwiesen werden können.

Für die Zukunft stellen wir uns vor, dass wir auch ausländische Staaten an der Finanzierung der Integrationskurse beteiligen wollen. Russland und die Türkei stellen die größten Kontingente an Kursteilnehmern, deshalb halten wir es für vertretbar, auch die Präsidenten dieser Länder anzuschreiben und um eine Spende zu bitten. Auch internationale Fußballvereine oder Firmen wie Coca-Cola, Amazon, Bertelsmann oder die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) könnten hilfreich sein. Im Gegenzug würden die ca. 17.000 Lehrkräfte in den Kursen Product-Placement betreiben und Werbegeschenke an die KursteilnehmerInnen und ihre Familien verteilen.

So wäre allen Seiten geholfen: die Lehrkräfte könnten endlich von ihrer Arbeit leben, die Firmen könnten einen gigantischen Werbemarkt erschließen und der Staat könnte in Zukunft wahrscheinlich vollständig von allen Kosten für die Integrationskurse entlastet werden. Auch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge könnten dann Stellen eingespart werden, was den Haushalt weiter entlasten würde.

Für Ihre Unterstützung bedanken wir uns im Voraus und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

 

Bitte beachten Sie auch die folgenden Informationen:

Coca-Cola unterstützt gelungene Integration:
„Ein Thema, das bei Coca-Cola enorme Bedeutung einnimmt und zu dem man sich auch gemeinsam engagieren wird.“

Integrationsbeauftragte Böhmer erlebt McDonald’s als Beispiel für Integration:
„Das Weltwirtschaftsforum empfiehlt Unternehmen in der aktuellen Studie „Global Talent Risk“, im Zuge des Fachkräftemangels stärker um Arbeitskräfte mit Migrationshintergrund zu werben.“

FC Bayern München: Gemeinsam für Integration in Deutschland:
„Integration ist eines der großen Zukunftsthemen unserer Gesellschaft. In Deutschland leben über 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Angesichts dieser Tatsache engagiert sich die Deutschlandstiftung Integration unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit einem umfassenden Programm. Um diese Aktivitäten auch öffentlich zu unterstützen, haben sich die 18 Bundesliga-Clubs zu einer besonderen Initiative entschlossen.“

 

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Wir unterstützen das BAMF mit einer Spende von 1,- €

Hier ist der Liste der Personen, die sich bereit erklären, dem verarmten BAMF mit 1,- € unter die Arme zu greifen:

Prof. Dr. Werner Schiffauer, Europa-Universität Viadrina, Professur für Vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie

 

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Spendenaufruf für Integrationskurse

Sehr geehrter Herr Bosbach,

Sie sind der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag. Der Innenausschuss bestimmt über die Höhe der Mittelzuwendungen für Integrationskurse.
Wir sind eine Gruppe von Lehrkräften, die sich seit Jahren mit den Problemen rund um die Integrationskurse beschäftigen.
In der Anlage haben wir Ihnen einen Brief einer Sprachschule beigefügt, die, genau wie wir, auf die Missstände in den Integrationskursen hinweist.

Sie kennen ja unsere Kritik:
– durch die Unterfinanzierung der Integrationskurse sind die Träger gezwungen, auf Scheinselbstständigkeit basierende Honorarverträge anzubieten.
– Lehrkräfte verklagen ihre Träger vor den Arbeitsgerichten. In München wurde ein solches Verfahren kürzlich mit einem Vergleich beendet.
– Betrügerische Machenschaften einzelner Träger gegenüber dem BAMF. Möglich wurden sie, weil das BAMF pro Kreuzchen auf der Anwesenheitsliste abrechnete, deren Richtigkeit aber nicht überprüfen konnte.
– Wahrscheinlich immer noch andauernde Betrügereien gegenüber dem BAMF, weil das BAMF auch die Unterschriftenlisten nicht kontrollieren kann, die nun als Grundlage für die Abrechnung dienen.
– Wahrscheinlich betrügerische Aktivitäten einzelner Träger durch Nicht-Weiterleitung der Fahrtkosten an die KursteilnehmerInnen. (BAMF ignoriert diesbezügliche Anfrage) 
– Völlig unsichere Finanzierung der Träger durch das BAMF. Siehe das Schreiben der Sprachschule.
– Lehrkräfte arbeiten auf Hartz IV-Niveau. Flucht in andere Arbeitsbereiche, hohe Fluktuation.
– Kurzfristiges Ende der berufsbezogenen Deutschkurse.
– Schlechte Ergebnisse bei den Integrationskursen: 50% fallen durch den B1-Test durch.
– Zwang zum Integrationskurs für alle, statt auf sinnvolle individuelle Weiterbildung zu achten.
– Integrationskurse sind “Abschluss ohne Anschluss”: kein Übergang in die Erwerbstätigkeit geplant.
– Fehlende wissenschaftliche Evaluierung der Integrationskurse

Für das laufende Jahr wurde ein Bedarf von ca. 270 Mio. € errechnet, geplant sind jedoch nur 204 Mio. €. Das heißt, dass sich die Situation der Lehrkräfte und die Unsicherheit der Träger nicht verbessern wird. Auch werden wahrscheinlich wieder lernwillige MigrantInnen keinen Zugang zu Integrationskursen haben, weil der Innenausschuss die fehlenden 70 Mio. € nicht ausgeben kann. Der Bund übernimmt zwar Kosten von 6.000 Mio. € für die Länder, aber 70 Mio. für Integrationskurse hat er nicht mehr übrig.

Wir haben uns deshalb überlegt, eine Spendenkampagne für die Integrationskurse ins Leben zu rufen. Wir möchten die 80 Mio. Einwohner von Deutschland anschreiben und um eine Spende von 1,- € bitten. Wenn jeder unserer höflichen Bitte nachkommt, dann haben wir die Integrationskurse wieder für ein Jahr gesichert. Wir haben schon 10 ProfessorInnen von deutschen Universitäten angeschrieben und möchten mit dieser Mail die Damen und Herren des Innenausschusses auf unser Anliegen aufmerksam machen. Deshalb bitten wir Sie, unseren Spendenaufruf an alle Mitglieder des Innenausschusses weiterzuleiten.

Allen Unterstützern, die sich mit 1,- € für den Erhalt der Integrationskurse einsetzen, möchten wir gerne in unserem Blog namentlich unseren Dank aussprechen.

Mit freundlichen Grüßen

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Urteil gefährdet alle Volkshochschulen in Niedersachsen

Unfreiwilliges Ehrenamt
Von Sebastian Kelm und Kathrin Aldenhoff
Quelle: http://www.weser-kurier.de/region/niedersachsen_artikel,-Unfreiwilliges-Ehrenamt-_arid,709427.html

Diepholz · Nienburg. Offiziell leitet Belinda Schomann die Außenstelle Brinkum der Volkshochschule (VHS) Diepholz ehrenamtlich. Mehr als 25 Stunden in der Woche, seit zehn Jahren. Das Arbeitsgericht Nienburg hat nun festgestellt: Was sie für die VHS leistet, ist kein Ehrenamt mehr, sondern ein Arbeitsverhältnis. Es ist ein Einzelfall – und doch könnte das Urteil die Finanzierung der Volkshochschulen in Niedersachsen gefährden.
(…) Schomann klagte, weil sie erreichen wollte, dass ihre Tätigkeit nicht als Ehrenamt, sondern als Festanstellung mit Gehalt und Sozialversicherungen anerkannt wird. Zehn Jahre lang hatte sie gehofft. Dann reichte es ihr. „Ich muss von irgendetwas leben, wenn ich alt bin“, sagt sie. Das Arbeitsgericht Nienburg stellte nun fest, „dass zwischen den Parteien ein unbefristetes, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Umfang von mindestens 25 Stunden wöchentlich besteht“. Das ist mehr als ein Ehrenamt. Die VHS-Leiterin koordiniert rund 240 Veranstaltungen im Jahr.
(…) Eine Umwandlung des Beschäftigungsverhältnisses sei sicher auch nicht im Interesse aller Ehrenamtlichen, glaubt Bockhop. „Dann würden Altersobergrenzen gelten, viele dürften gar nicht weitermachen“, erklärt der Landrat. Und Bockhop führt noch eine weitere „grundsätzliche Bedeutung“ des Urteils an: „Das würde auch heißen, dass wir dem Bund jahrelang Sozialabgaben vorenthalten haben.“
(…) Selbst wenn es bei dem Urteil bleibt, ob es der Klägerin nützt, ist ungewiss. Denn Landrat Bockhop stellt klar: Beim Landkreis werde Belinda Schomann definitiv keine feste Anstellung erhalten. Man habe ihr bereits in früheren Gesprächen eine Absage erteilt, weil eine Sonderbehandlung nicht zu rechtfertigen wäre. Belinda Schomann aber hatte immer auf eine Festanstellung gehofft.

Kommentar:
ach, heißt das tatsächlich, dass die VHS dem Bund jahrelang Sozialabgaben vorenthalten hat? Mein Gott, wer denkt denn an sowas? VHSn sind profitorientierte Unternehmen, die arbeitsrechtlich machen können, was sie wollen. Das liegt daran, dass sie früher mal “zu den Guten” gehörten, und an ihren guten Kontakten zur SPD und zu den Gewerkschaften. 25 Stunden unbezahlt arbeiten, solche Unverschämtheiten findet man heute nur noch bei Volkshochschulen. Wenn Bund, Land und Kommune die Bildungsarbeit nicht bezahlen wollen, dann sollen sie die VHSn doch schließen. Noch besser wäre es, man würde die gutverdienenden hauptamtlichen MitarbeiterInnen als Honorarkräfte beschäftigen mit dem Argument: “es ist doch für eine gute Sache”.

 

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